Der Flamersheimer Wald - ein uralter Erbenwald, in dem bis zur französischen Revolution die Einwohner von Flamersheim, Palmersheim und Kirchheim als „rechte Erben“ uneingeschränkte und noch 350 sog. „Anerben“ und ebenso viele „Waldsassen“ beschränkte Holznutzung hatten - hängt nirgends mit Flamersheim zusammen, sondern grenzt vielmehr östlich an Neukirchen, Todenfeld, Hilberath und Houverath, westlich an Arloff, Kirchheim und Schweinheim, nördlich an Palmersheim, Odendorf, Oberdrees und Rheinbach sowie südlich an Effelsberg und Münstereifel. Jedoch hing er durch zwei besondere Heerstraßen, eine über Ringsheim, die andere über Schweinheim und beide unter der Hoheit und Jurisdiktion der Herren von Tomberg stehend, mit dem Dorf zusammen. Ein gemeinschaftlicher Besitz, der von zwei adeligen Waldgrafen, sechs Waldschöffen und sechs Förstern, die teils von den Landesherrn ernannt, teils von den Waldberechtigten erwählt wurden, bewirtschaftet wurde. Ein Riesenforst zu aller Nutz und Frommen, der aber nach dem Revolutionsjahr 1848 in drei Abteilungen Palmersheim, Flamersheim und Kirchheim aufgeteilt und im Juni 1853 in 15 Verkaufslosen versteigert wurde, um hernach drei Großgrundbesitzern zuzufallen.
Der ganze Umfang des Waldes beträgt 16.321 Morgen. Davon umfasst der sogenannte Flamersheimer Wald 13.000 Morgen, der anstoßende Schornbusch 3.000 Morgen. Zur Zeit der Karolinger gehörte der Flamersheimer Wald zum Königshofe Flamersheim im Gaue Ripuarien, als dessen Reichswald. Er ist in der Geschichte unter dem Namen Reichsmark (Ryksmark) bekannt. Mit den Dörfern Flamersheim, Palmersheim und Kirchheim bildete der Wald das Praedium (Königsgut) Flamersheim.
Von 950 bis 1156 besaßen das Praedium Flamersheim die Pfalzgrafen, Herren auf Tomberg. Mit dem Übergang in den Besitz derselben hörte das Praedium auf, ein Königsgut zu sein und wurde zerrissen; der kleinere Teil, bestehend aus Ober- und Niederkastenholz und dem Kornelimünsterbusch (südöstlich der Hardt) kam an die Abtei Kornelimünster, und der größere Teil, bestehend aus Kirchheim, Flamersheim, Palmersheim und dem Flamersheimer Wald, also dem Kern des Königsgutes, kam durch Schenkung im 12. Jahrhundert an das Stift Maria ad Gradus in Köln. Diese Schenkung geschah durch Erzbischof Hermann II. von Köln, der ein Sohn des Pfalzgrafen Ezo und der Tochter Kaiser Otto II., Mathilde, war. Der Tod des Erzbischofs Hermann II. (gest. 1056) hinderte diesen aber, diese Schenkung auszuführen, daher wurde sie durch Anno II. (1010 -1075) vollzogen. Der Teil des Königsgutes, der an die Abtei Kornelimünster kam, bildete später die reichsunmittelbare Herrschaft Kastenholz.
Nachdem es an das genannte Kölner Stift gekommen war, entstand aus dem nunmehrigen Praedium Flamersheim später das Jülichische Amt Tomberg. Als das Mariengradenstift sein neues Besitztum anbauen wollte, erteilte es den Kolonisten die Gerechtigkeit (Berechtigung), Brand- und Bauholz aus dem Walde zu holen. Diese Gerechtigkeit war aber von den Hauptplätzen unzertrennlich und schlief, solange diese unbebaut blieben. Auch war es nicht erlaubt, Holz sowie mit Flamersheimer Waldholz bereitetem Bier oder Branntwein an Auswärtige zu verkaufen.
Nach und nach erhielt das Holz mehr Wert, und das Stift gab eine Menge Gerechtigkeiten, totes Holz aus dem Wald zu holen, auch an Auswärtige gegen Hafer, Hühner usw. in Erbpacht. Andere erhielten die Vergünstigung zum lebendigen Brandholz, teils als Erbpacht, teils käuflich und als Geschenk.[1]
Die Holzgerechtsame war vom Mittelalter bis zum späten 19. Jahrhundert das unentgeltliche Recht auf Nutzung des Waldes für die Holzgewinnung und wurde von der Rechtslehre und der Gerichtsbarkeit überwiegend als Dienstbarkeit verstanden, zum Teil wurde auch eine Reallast damit verbunden gesehen.[2]
Als Reallast bezeichnet man das Recht einer bestimmten Person, aus einem Grundstück wiederkehrende Leistungen zu verlangen. Die Gerechtsame des Flamersheimer Erbenwaldes beruhten auf Reallasten, die auf bestimmten Häusern hafteten und dem jeweiligen Eigentümer zustanden. Nutznießer konnten aber durchaus auch die Bewohner des Hauses sein.[3]
Unter französischer Herrschaft nahmen die Walderben das Eigentum des Flamersheimer Waldes in Anspruch. Im Jahre 1809 erhob die französische Regierung eine Bindikationsklage[4], die jedoch unter den nachfolgenden Ereignissen des Jahres 1813 nicht zum Austrage gelangte. Später strengte der hannoversche General Freiherr von Vincke, Besitzer der Burg Flamersheim und Teilhaber der vormaligen Herrschaft Tomberg, namens seiner Tochter Charlotte von Vincke, Gemahlin des Grafen von der Schulenburg-Wolfsburg, kgl. hannoverscher Geheimer Rat, auf Gut Ostenwalde (bei Melle, Niedersachsen) wohnhaft, eine ähnliche Klage an, wonach dieser als Erbin ihrer Mutter, geborene Freiin von Dalwigk zu Haus Oefte (am Südufer der Ruhr bei Kettwig gelegen), 2/3 des Flamersheimer Waldes zugehören sollten. Der kgl. Appellations-Gerichtshof zu Köln wies diese Klage jedoch am 18. August 1840 zurück.[5]
Der nachfolgende Besitzer der Burg, Franz Georg Weckbecker, leitete als Inhaber mehrerer Waldgerechtigkeiten im Einverständnis mit der Mehrzahl der Waldberechtigten 1844 eine Teilungsklage ein.
Franz Georg Severus Weckbecker (1775 – 1862) war Kaufmann und Rittergutsbesitzer aus Münstermaifeld. In der Franzosenzeit wurde er im Mosel-Eifel-Raum auch „Moselkönig“ genannt. Weckbecker war seinerzeit Eigentümer der Burgen Flamersheim und Ringsheim. Er verkaufte später beide Burgen ungeteilt an die Kölner Gebrüder Kaufmann, die sie 1861 wiederum an die Witwe des Elberfelder Fabrikanten Julius August Bemberg weiterveräußerten. [6]
Zum Behuf der Teilungsprozedur wurde vom Anwalt des Teilungsklägers, dem Advokaten Thiel zu Köln, am 22. Juli 1844 ein Verzeichnis angefertigt. Das Verzeichnis, führt die Berechtigten des "Flamersheimer Erbenwaldes" aus 10 Divisionen an:
1. Division:
Dorf Flamersheim mit 131 Gerechtsamen;
Dorf Niederkastenholz (7 Gerechtsame, 9 Totenhaue[7])
Dorf Schweinheim (21 Gerechtsame, 2 Totenhaue)
2. Division:
Kirchheim (140 Gerechtsame, 3 Totenhaue)
3. Division Palmersheim:
Palmersheim (76 Gerechtsame)
4. Division Odendorf:
Dorf Odendorf (19 Gerechtsame, 19 Totenhaue)
Dorf Miel (6 Gerechtsame, 9 Totenhaue)
Dorf Essig (3 Gerechtsame, 6 Totenhaue)
Dorf Ludendorf (10 Gerechtsame, 6 Totenhaue)
Dorf Ollheim (6Gerechtsame, 3 Totenhaue)
Dorf Esch (9 Gerechtsame, 5 Totenhaue)
5. Division Kuchenheim:
Kuchenheim (44 Gerechtsame, 1 Totenhau)
Weidesheim( 14 Gerechtsame, 9 Totenhaue)
Kleinbüllesheim (6 Gerechtsame, 6 Totenhaue)
Roitzheim (12 Gerechtsame, 3 Totenhaue)
6. Division Euskirchen:
Euskirchen (20 Gerechtsame, 7 Totenhaue)
Kessenich (2 Gerechtsame)
Veynau (1 Gerechtsam)
Lommersum (1 Gerechtsam)
Großbüllesheim (3 Gerechtsame, 4 Totenhaue)
Wichterich (2 Gerechtsame)
Billig (1 Gerechtsam, 1 Totenhau)
Euenheim (1 Gerechtsam)
7. Division Stotzheim:
Dorf Stotzheim (18 Gerechtsame, 19 Totenhaue)
Dorf Kirspenich (2 Gerechtsame, 9 Totenhaue)
Dorf Arloff (7 Gerechtsame, 20 Totenhaue)
Dorf KaIkar (1 Gerechtsam, 6 Totenhaue)
Dorf Wachendorf (3 Gerechtsame)
Dorf Antweiler (4 Gerechtsame, 1 Totenhau)
Dorf Iversheim (2 Gerechtsame)
Dorf Weingarten (2 Gerechtsame 2 Totenhaue)
Dorf Rheder (3 Gerechtsame, 7 Totenhaue)
8. Division Oberdrees:
Dorf Oberdrees (33 Gerechtsame, 4 Totenhaue)
Dorf Niederdrees (13 Gerechtsame, 12 Totenhaue)
Stadt Rheinbach (3 Gerechtsame)
Dorf Ramershoven (2 Gerechtsame)
Dorf Peppenhofen ( 3 Gerechtsame )
Dorf Flerzheim (2 Gerechtsame)
9. Division Sürst:
Dorf Queckenberg (13 Gerechtsame, 4 Totenhaue)
Dorf Loch (7 Gerechtsame)
Dorf Sürst (8 Gerechtsame, 1 Totenhau)
Dorf Eichen (3 Gerechtsame)
Dorf Nußbaum (1 Gerechtsam)
10. Division Wald:
Dorf Scheuren (13 Gerechtsame, 1 Totenhau)
Dorf Houverath (2 Gerechtsame, 13 Totenhaue)
Dorf Wald (1 Gerechtsam, 12 Totenhaue)
Dorf Scheuerheck (4 Gerechtsame, 2 Totenhaue)
Dorf Maulbach (10 Gerechtsame)
Dorf Limbach (5 Totenhaue)
Dorf Freischem (1 Gerechtsam, 3 Totenhaue)
Von der Intention des Klägers nahm die Kreisbehörde Anlass im Verein mit den Kreisständen, am 30. Dezember 1844 Allerhöchsten Ortes den Antrag zu stellen: "Den Flamersheimer Wald mit den
Markenwaldungen des Herzogtums Berg gleichzustellen, gleich wie bei diesen zur Teilung den landherrlichen Konsens (Zustimmung) vorzubehalten, und im Interesse der Forst- und Landeskultur sowie
der öffentlichen Wohlfahrt die Teilung zu inhibieren[8]."
Diesem Antrag wurde auch gemäß Allerhöchster Kabinettsorder vom 7. August 1846 stattgegeben. Inzwischen kam bald hernach das verhängnisvolle Jahr 1848. Man bestürmte nun die kgl. Regierung, den Konsens zur Teilung zu erteilen. Die kgl. Regierung entschied nun, ganz im Widerspruch mit ihrer früheren Verfügung, dass die Teilung zulässig sei. Infolgedessen und nach durchgeführter Teilungsklage kam der Wald im Jahre 1852 in Parzellen zur öffentlichen Versteigerung. Diese brachte einschließlich des dazu gehörigen Schornbusches von etwa 3.000 Morgen, welcher von dem Herzoge von Arenberg für 220.000 Taler angekauft wurde, zusammen den Kaufpreis von 746.024 Talern auf, den man unter die Berechtigten verteilte, sodaß jeder derselben ca. 1000 Taler zu seinem Anteil erhielt. Der damalige Oberförster, später Oberforstmeister Weyer in Düsseldorf, hatte den Wald im Jahre 1844 zum Werte von 800.000 Talern abgeschätzt, welche Taxe also beinahe erreicht worden ist.[9]
[1] „Die Vordereifel, Geschichtliches und Wanderungen“ von Joseph Pesch, Euskirchen 1901
[2] Wikipedia
[3]Beispiel aus dem Verzeichnis der Berechtigten des Flamersheimer Erbenwaldes (1844): Dorf Flamersheim, Nr. 1: Gerechtsam der Gebrüder Fischer, namentlich Friedrich Arnold Fischer in Flamersheim, Laurenz und August Fischer in Euskirchen, Doctor medicinae in Köln, haftend auf dem Hause Nro. 1, bewohnt von Ernst Peltzer, steht im Waldregister auf den Namen von Johann Christian Schmith.
[4] Bindikation = Zurückforderung des Eigentums
[5] „Die Vordereifel, Geschichtliches und Wanderungen“ von Joseph Pesch, Euskirchen 1901
[6] Wikipedia
[7] Das bereits erwähnte Verzeichnis
von 1844 unterscheidet nur zwischen „Gerechtsame“ und „Totenhau“. Mit letzterem ist das Recht gemeint, Totholz als Brennholz aus dem Wald zu entnehmen.
[8] inhibieren = hemmen, verhindern
[9] Die Vordereifel, Geschichtliches und Wanderungen“ von Joseph Pesch, Euskirchen 1901